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Virtuelle Waren im Fokus – EuG erlässt wegweisendes Urteil zu der Frage, ob eine für virtuelle Waren angemeldete Marke Unterscheidungskraft aufweist.

EuG Urteil vom 11.12.2024, Rechtssache T-1163/23, Glashütter Uhrenbetrieb GmbH – Glashütte/Sa. gegen EUIPO

 Inhalt

Hintergrund des Verfahrens

Die Antragstellerin meldete am 1. Juli 2022 die folgende Unionsmarke (Nr. 018727034) an:

Glashütte Original Logo

Die Marke umfasste unter anderem „herunterladbare virtuelle Waren wie Uhren, Chronometer und entsprechende Accessoires für die Nutzung online oder in virtuellen Umgebungen“ (Klasse 9) sowie „Einzelhandelsdienstleistungen und die Bereitstellung solcher virtuellen Waren“ (Klassen 35 und 41). 

Mit Entscheidung vom 13. Februar 2023 lehnte das EUIPO die Eintragung dieser Waren und Dienstleistungen vorläufig ab und berief sich auf Art. 1 Abs. 1 Buchst. b) – mangelnde Unterscheidungskraft. Nach Auffassung der Prüferin würde ein erheblicher Teil des maßgeblichen deutschen Publikums den Begriff „Glashütte“ mit der gleichnamigen Stadt in Verbindung bringen, die für ihre erstklassige Uhrmacherkunst bekannt ist. Diese Assoziation bestünde auch im virtuellen Bereich fort, da es sich bei den betreffenden Waren und Dienstleistungen weiterhin um Uhren und deren Zubehör handele. 

Die hiergegen eingelegte Beschwerde vom 12. April 2023 wurde am 29. September 2023 von der Beschwerdekammer zurückgewiesen, die die Auffassung der Vorinstanz bestätigte. In der Folge reichte die Glashütter Uhrenbetrieb GmbH – Glashütte/Sa. beim EuG eine Klage gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer ein (Rechtssache R 773/2023-5) mit dem Ziel der Aufhebung dieser Entscheidung.

Entscheidung des EuG

Die Antragstellerin stützte ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b) der Verordnung 2017/1001 und machte geltend, die Beschwerdekammer habe zu Unrecht die fehlende Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke bejaht. Das EuG führte hierzu vier wesentliche Punkte an:

  1. den Ruf der Stadt Glashütte in der Uhrmacherei,
  2. die Übertragung dieses Rufs auf virtuelle Waren und Dienstleistungen,
  3. die Frage, ob die bildlichen Elemente der Marke eine Unterscheidungskraft begründen, und
  4. das Vorliegen einer bereits eingetragenen ähnlichen Marke.

 

Obwohl das EuG darauf einging, wie „virtuelle Waren“ und entsprechende Dienstleistungen zu bewerten seien, sah es keine Veranlassung, eigene Prüfungsmaßstäbe für diese aufstrebende Kategorie aufzustellen. Es stellte vielmehr fest, dass das Publikum virtuelle Waren im Allgemeinen genauso wie deren reale Entsprechungen auffasst.

Glashütte: Synonym für Uhrmacherkunst

Glashütte in Sachsen, nahe Dresden, genießt weltweit Ansehen für seine hochwertigen Uhren. Nach Auffassung des EuG prägt dieser Ruf die Wahrnehmung des Zeichens auch im virtuellen Bereich. Zwar übertrage sich der ausgezeichnete Ruf Glashüttes in der physischen Uhrenherstellung nicht automatisch auf den virtuellen Sektor, doch richteten sich die betroffenen Waren und Dienstleistungen eindeutig an Uhren und Zubehör. Das Zeichen werde daher eher als Qualitätsverweis denn als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden.

Übertragung der Wahrnehmung von real auf virtuell

Das EuG führte ferner aus, dass das Publikum bei virtuellen Waren, die ihren realen Pendants ähneln oder diese nachahmen, typischerweise bestehende Vorstellungen auf die virtuelle Welt überträgt. Allerdings könne eine solche Übertragung je nach konkretem Produkt variieren. Im vorliegenden Fall würden jedoch virtuelle Uhren entweder echte Uhren nachbilden oder deren Funktionen imitieren, weshalb das Publikum „Glashütte ORIGINAL“ unmittelbar mit dem Uhrmacherruf Glashüttes in Verbindung bringe und das Zeichen eher als Werbehinweis denn als selbstständigen Herkunftsnachweis wahrnehme.

Auf den Punkt

Die Antragstellerin hat die Möglichkeit, ein Rechtsmittel beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzulegen. Dieses Vorgehen erscheint umso wichtiger, als mehrere „Glashütte Original“-Marken bereits beim EUIPO und bei der WIPO registriert sind (z. B. EU 004821773 / IR), von denen einige noch für „Uhren“ (Klasse 14) – also physische Waren – Schutz genießen. Angesichts der EuG-Rechtsprechung, nach der virtuelle Waren mit ihren realen Pendants gleichgesetzt werden, stellt sich die Frage, ob diese Eintragungen womöglich angefochten oder wegen fehlender Unterscheidungskraft gelöscht werden könnten. Aus Sicht der Markeninhaberin und ihrer rechtlichen Berater könnte es für Glashütte daher angebracht sein, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. 

Quelle: EUR-Lex

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