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LG Hamburg entscheidet: Erstellung von KI-Trainingsdatensätzen keine Urheberrechtsverletzung

LG Hamburg Urteil vom 27.09.2024, 310 O 227/23 – Erstellung von KI-Trainingsdatensätze urheberrechtlich unbedenklich

 Inhalt

Entscheidung des LG Hamburg

Das Landgericht Hamburg hat in einem wegweisenden Urteil entschieden, dass die Erstellung von KI-Trainingsdatensätzen nach § 60d Urheberrechtsgesetz (UrhG) als Text- und Datamining zulässig ist. Diese Entscheidung ist für die Open-Source-Community und die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) von großer Bedeutung.

 

Sachverhalt und Hintergrund des Verfahrens

Der Fotograf Robert Kneschke hatte gegen den gemeinnützigen Verein LAION geklagt. LAION hat es sich zum Ziel gesetzt, die Forschung im Bereich KI zu fördern, indem er offene Datensätze bereitstellt. Im Rahmen des Projekts LAION 5B wurde ein Datensatz mit fast sechs Milliarden Bild-Text-Paaren erstellt, darunter auch ein Foto von Herrn Kneschke. Dieses Bild hatte LAION von der Website Bigstock heruntergeladen, wo Herr Kneschke es hochgeladen hatte. In den Nutzungsbedingungen von Bigstock wird jedoch die Nutzung der Bilder für „automated programs“ untersagt.

LG Hamburg: Keine Urheberrechtsverletzung, da die Erstellung von Trainingsdatensätzen unter wissenschaftliches Text- und Datamining i.S.d. Urheberrechts fällt

Das LG Hamburg wies die Klage ab und stellte fest, dass die Vervielfältigung der Bilddaten durch LAION unter die Schrankenregelung des § 60d UrhG für wissenschaftliches Text- und Datamining fällt. Erstmals hat damit ein Gericht bestätigt, dass die Erstellung von Trainingsdatensätzen für KI als Text- und Datamining im Sinne des Urheberrechts gilt.

Begründung und europarechtlicher Kontext

Das Gericht stützt seine Entscheidung auf zwei Hauptargumente:

  1. Gesetzesbegründung: In der Begründung zu § 60d UrhG wird hervorgehoben, dass maschinelles Lernen als Basistechnologie für KI von besonderer Bedeutung ist. Dies unterstreicht die gesetzgeberische Absicht, solche Anwendungen zu ermöglichen.
  2. Verweis auf die EU-KI-Verordnung: Das Gericht verwies auf die im August 2024 eingeführte KI-Verordnung der EU (Verordnung 2024/1689). In Artikel 53 Absatz 1 dieser Verordnung wird betont, dass die Erstellung von Datensätzen für das Training künstlicher neuronaler Netze unter die Schrankenregelung des Text- und Datamining fällt. Zudem verweist die KI-Verordnung auf Artikel 4 der DSM-Richtlinie, welche die europäische Regelung zum Text- und Datamining darstellt.

Diskussion um Nutzungsvorbehalte

Ein weiterer Aspekt der Entscheidung betrifft die Frage, wie ein Nutzungsvorbehalt seitens der Rechteinhaber zu gestalten ist. Nach § 44b UrhG muss ein solcher Vorbehalt in maschinenlesbarer Form erfolgen, um Vervielfältigungen zum Text- und Datamining auszuschließen. Das LG Hamburg vertrat die Auffassung, dass eine Erklärung in „natürlicher Sprache“ ausreicht, da moderne KI-Systeme in der Lage sind, solche Vorbehalte zu erkennen und zu verarbeiten. Diese Sichtweise ist jedoch umstritten; einige Stimmen fordern einen technischen Standard wie die Verwendung von robots.txt-Dateien.

Auswirkungen und Ausblick

Für die Zukunft der KI-Entwicklung ist es entscheidend, dass rechtliche Hürden klar definiert und praktikabel sind. Offene Trainingsdatensätze ermöglichen Innovation und bieten ein Gegengewicht zu kommerziellen KI-Modellen. Es ist daher wichtig, dass der Gesetzgeber und die Rechtsprechung die Bedürfnisse der Open-Source-Community berücksichtigen und einen Rahmen schaffen, der sowohl den Schutz geistigen Eigentums als auch die Förderung wissenschaftlicher Forschung ermöglicht.

Auf den Punkt

Für die Zukunft der KI-Entwicklung ist es entscheidend, dass rechtliche Hürden klar definiert und praktikabel sind. Offene Trainingsdatensätze ermöglichen Innovation und bieten ein Gegengewicht zu kommerziellen KI-Modellen. Es ist daher wichtig, dass der Gesetzgeber und die Rechtsprechung die Bedürfnisse der Open-Source-Community berücksichtigen und einen Rahmen schaffen, der sowohl den Schutz geistigen Eigentums als auch die Förderung wissenschaftlicher Forschung ermöglicht.

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